2. Aktionswoche in Bielefeld mit positiver Resonanz
Am Samstagabend kam der Schlusspunkt: Bei einem Gala-Diner ließen sich 160 pflegende Angehörige ihre Einladung richtig schmecken und genossen vor allem die Aufmerksamkeit, die ihnen endlich einmal wieder zuteil wurde. Damit ging die 2. Aktionswoche für pflegende Angehörige zu Ende, zu der die Stadt Bielefeld, das Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB), die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, die Fachhochschule Bielefeld, der Arbeitskreis Tagespflege und das Demenz-Service-Zentrum OWL eingeladen und in Kooperation mit Partnern in der Stadt etwa 20 Veranstaltungen für pflegende Angehörige angeboten hatten.
„Wir wollen, dass Sie heute Abend egoistisch sind, sich Ihre Auszeit nehmen und Gelegenheit zum Austausch finden“, sagte der Sozialdezernent der Stadt Bielefeld Ingo Nürnberger zur Begrüßung zum Konzert am Montagabend in der Rudolf-Oetker-Halle. Bei Musik, Snacks und Wein gab es dazu ausreichend Gelegenheit. Und so bewegten sich etwa 200 Füße rhythmisch zu den Klängen des symphonischen Blasorchesters 3Sparren. Vier davon gehörten zum Ehepaar Hermann und Lieselotte Lehnen. Der 81-Jährige Bielefelder pflegt seine ein Jahr jüngere Frau: „Bei uns kommt morgens und abends ein ambulanter Pflegedienst, zusätzlich nutzen wir die Tagespflege in der Moltkestraße. Was dazwischen ist, mache ich. Wenn ich aber frei habe, ist die Zeit total durchgetaktet für Einkäufe und anderes. Deswegen komme ich eigentlich gar nicht mehr raus.“ Ein schmissiges Medley aus Titelsongs der James-Bond-Filmreihe, Musical- und Opern-Klassiker oder legendäre Ohrwürmer der Beatles – der Konzertabend in der Rudolf-Oetker-Halle war eine willkommene Ablenkung und bereitete den Gästen sichtliches Vergnügen. „Die Woche für pflegende Angehörige ist klasse! Ich habe das Konzert als wirkliche Auszeit empfunden“, resümiert ein strahlender Hermann Lehnen. Eine kurzfristige Ruhepause, ein Kraftspender.
Langfristig helfen die richtigen Informationen, den kräftezehrenden Pflegealltag zu bestehen. An der Stelle setzte das EvKB an mit der Veranstaltung „Pflege ohne Nebenwirkungen“, einem Infotag zu Medikamentensicherheit, Wechselwirkungen und mehr. 80 pflegende Angehörige informierten sich hier über Gefahren der falschen Einnahme von Medikamenten, über Nebenwirkungen und darüber, wie zukünftig der bundesweit einheitliche Medikationsplan die Übersicht der verordneten Medikamente behalten hilft. Die Veranstaltung konnte den Besuchern wichtige Fragen beantworten, die ihnen zuvor Unsicherheit bei der pflege ihres Angehörigen bereitet hatten.
Mit Liedern werden Erinnerungen verknüpft und in vielen Fällen sind es schöne! Das war den Besuchern beim Mitsingkonzert, organisiert vom Arbeitskreis Tagespflege, im Gemeindehaus der Ev.-luth. Marien-Kirchengemeinde deutlich anzusehen. Bis auf den letzten Platz war das Gemeindehaus besetzt und Alleinunterhalter Hans-Jürgen Dümpe traf genau den richtigen Ton: Seemannslieder wie „Nimm mich mit Kapitän auf die Reise“ oder flotte Schlager wie „Marina, Marina, Marina“ sowie Italo-Schnulzen der Art „Zwei kleine Italiener“ animierten die Gäste, ob dement oder nicht, zum kräftigen Mitsingen. In einer schöpferischen Pause servierten Birgit Vogl, Irmhild Vodegel und viele Mitarbeitende aus dem Arbeitskreis Tagespflege Kaffee und Kuchen. Der ein oder andere wagte dann gestärkt sogar ein Tänzchen. Ein sorgloser Nachmittag – so richtig zum Durchatmen.
Den krönenden Abschluss der Aktionswoche bildete das Gala-Diner, bei dem sich 160 pflegende Angehörige im Gebäude X der Universität Bielefeld mit Gaumenfreuden verwöhnen ließen. Während einige Gäste die Gelegenheit nutzten und ihre pflegebedürftigen Angehörigen in einer Tagespflegeeinrichtung gut betreut wussten, lag vielen Gästen auch der gemeinsame Besuch am Herzen. „Mir hat das Gala-Diner sehr gut gefallen. Es war lecker und der Service war toll!“, freute sich Annegret Mika. Die 58-Jährige, die seit fünf Jahren ihre an Demenz erkrankte Mutter pflegt, fand Gefallen an den ehrenamtlichen Helfern, die sich hauptsächlich aus dem Vorbereitungskreis der Aktionswoche zusammensetzten und die Gäste am Tisch bedienten. Sie selbst konnte sich an diesem Abend in ihrer Siedlung auf die Nachbarschaft verlassen, die ihre Mutter betreute. „Ich will mich heute Abend gerne mit anderen pflegenden Angehörigen austauschen“, so die Power-Nutzerin der Aktionswoche, die neben dem Gala-Diner auch das Konzert in der Oetker-Halle, das Mitsingkonzert und eine vom Demenz-Service-Zentrum OWL und der Stadtbibliothek Bielefeld organisierte Lesung mit Birgit Brinkmann besucht hatte. „Ich empfinde die Aktionswoche für pflegende Angehörige als eine Wertschätzung für das, was wir leisten“, sagte Annegret Mika.
In Bielefeld werden 7.000 der 10.000 Pflegebedürftigen allein von Angehörigen gepflegt. Bei ihnen handelt es sich um den eigentlich größten Pflegedienst der Nation. Bielefeld ist nach Berlin die zweite Stadt, in der pflegende Angehörige eine derartige Wertschätzung erfahren. Schirmherren der Aktionswoche sind Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen und Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Sämtliche Veranstaltungen der 2. Woche für pflegende Angehörige waren kostenlos zu besuchen.